Mensch auf einem Bein mit Spazierstock (Symbolbild)
Gute Versorgung im Alter

Gute Versorgung im Alter [Live-Blog]

Die gesundheitliche und pflegerische Versorgung, insbesondere älterer Menschen, muss auch aufgrund der demografischen Entwicklung im Fokus der Sozial- und Gesundheitspolitik stehen. In den letzten Jahren gab es zahlreiche gesetzliche Anpassungen und Initiativen in diesem Bereich. Etlichen Herausforderungen konnte allerdings noch nicht nachhaltig begegnet werden.
Mit diesem Live-Blog wollen wir in den Blick nehmen, welchen Stellenwert ältere Menschen, ihre Teilhabe und Versorgung in der neuen Legislatur einnehmen. Zudem werden wir über die wesentlichen gesetzlichen Änderungen und Initiativen der neuen Bundesregierung berichten.

+++ 17.12.2021 +++

Wir erwarten keine Wunder, wohl aber nachhaltige und strukturelle Reformen

Die neue Bundesregierung ist im Amt und die sie tragenden Parteien haben in ihrem Koalitionsvertrag “Mehr Fortschritt wagen” das Thema Pflege und die mit ihm verbundenen Herausforderungen benannt und verschiedene Lösungsvorschläge miteinander vereinbart. Wir werden die Vorhaben der neuen Bundesregierung im Feld der Gesundheits- und Pflegepolitik kritisch-konstruktiv begleiten und stehen mit unserer Expertise sowie unserem Praxiswissen beratend zur Seite.   

Pflegereform, die ihren Namen verdient?  

Die Koalitionäre haben den Begriff der Pflegereform zwar vermieden, sich jedoch auf die jüngst verabschiedete „kleine Pflegereform“ bezogen. So wird u.a. auf die Notwendigkeit der Begrenzung der Eigenanteile in der stationären Pflege sowie auf die Regelung zu prozentualen Zuschüssen und auf weitere Verbesserungsbedarfe hingewiesen. Wir sagen: Die Eigenanteile in Pflegeheimen müssen nachhaltig gedeckelt und vor allem planbar gemacht werden. Wir vermissen daher leider ernstgemeinte Signale für eine Umkehr der Finanzierungslogik. Ob die Zuschussregelung des § 43c SGB XI genügt, gilt es zu evaluieren. Zugleich bedarf es grundsätzlich einer nachhaltigen Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung. Aus unserer Sicht sind hier mutige und neue Ideen gefragt. Auch wenn Steuerzuschüsse und moderate Beitragserhöhungen vertretbar sind, reichen diese Interventionen für eine zukunftsfeste Pflegeversicherung nicht aus. 

Angemessene Personalausstattung? 

Das Verfahren zur Personalbemessung in der stationären Langzeitpflege soll laut Koalitionsvertrag beschleunigt werden. Wir unterstützen die Einführung des Personalbemessungsverfahrens und halten dies für eine zukunftsfähige Pflege für dringend erforderlich. Wir geben aber zu bedenken, dass zunächst die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, damit dies überhaupt umgesetzt werden kann. Hierfür ist eine Bündelung der Kräfte und eine Koordinierung aller Akteure auf Bundes- und Landesebene unerlässlich. Wir sehen auch die Länder in der Pflicht, die Ausbildungskapazitäten bei den Assistenzkräften aufzustocken, so dass künftig zusätzliches Personal zur Verfügung steht. In diesem Zusammenhang ist die Idee, die nach Landesrecht geregelte Pflegeassistenzausbildung harmonisieren zu wollen, als zielführend zu erachten. 

Krisensichere Pflege?  

Die Corona-Pandemie hat es verdeutlicht: Das Pflegesystem ist nicht krisensicher. Unsere Einrichtungen und Dienste sind nicht ausreichend auf Krisen vorbereitet, weder organisational noch personell. Hierfür bedarf es dringend Antworten und präventive Handlungsansätze. Das Deutsche Rote Kreuz fordert eine finanzielle Unterstützung von Modellvorhaben zur Steigerung der Krisenvorsorge in der Langzeitpflege und – für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe – Möglichkeiten der Refinanzierung über das Steuer- und Versicherungssystem als Mittel der Daseinsvorsorge.  

Digitalisierte Pflege?  

Die Ampelkoalition möchte eine „umfassende Digitalisierung der Verwaltung“ voranbringen und die öffentliche Infrastruktur modernisieren. Bei den Themen Gesundheit und Pflege liegt ein „besonderen Fokus auf der Lösung von Versorgungsproblemen“ und der beschleunigten „Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes“. Explizit genannt wir auch die schnelle Anbindung aller Akteure an die Telematikinfrastruktur. Mit Blick hierauf sehen wir uns darin bestätigt, die Mitarbeitenden und Führungskräfte des DRK rechtzeitig mit dem Thema Digitalisierung der Pflege und ihrer Integration in die Telematikinfrastruktur befasst zu haben. An verschiedenen weiteren Stellen des Koalitionsvertrags finden sich zukunftsweisende Hinweise zum digitalen Identitätsmanagement, die darauf deuten, dass die neue Bundesregierung tatsächlich eine sektorenübergreifende Digitalisierung der Pflege und des Gesundheitswesens anstrebt. Aus unserer Sicht eine vernünftige und erfolgsversprechende Herangehensweise.  

Zielführende Seniorenpolitik?  

An dieser Stelle greift der Koalitionsvertrag eindeutig zu kurz und kommt leider über gutgemeinte Prosa nicht hinaus. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Themen Gesundheitsförderung und Prävention gemeinsam neugestaltet werden müssen. Die Inanspruchnahme der Angebote der offenen Altenarbeit und die Teilnahme an Programmen der Gesundheitsförderung, können die Pflegebedürftigkeit von älteren Menschen verzögern, wenn nicht sogar in manchen Fällen verhindern. Ältere Menschen benötigen für die Teilhabe im Alter neue Akzente. Auch vermissen wir solide Refinanzierungsmöglichkeiten für Träger der offenen Altenhilfe.

Lassen Sie uns den Dialog beginnen.
 

+++ 04.10.2021 +++

Herausforderungen in der Pflege annehmen – Forderungen des DRK an die neue Bundesregierung 

Der Bundestag ist gewählt. Die Parteien sondieren. Noch ist offen, welche Fraktionen die neue Bundesregierung tragen werden und welche Farben in der Flagge der Regierungskoalition wie zusammengenäht werden. Wir beobachten die anstehenden Koalitionsverhandlungen aufmerksam und erwarten, dass die von der alten Bundesregierung auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Bereich der Pflege von der neuen Bundesregierung im Dialog mit den relevanten Akteuren weiterentwickelt werden. So kann es gelingen, die immer noch erforderlichen und weitergehenden Schritte zur Stabilisierung der Pflege in Deutschland einzuleiten. 

Notwendigkeit einer „Großen“ Pflegereform 

Damit die soziale Pflegeversicherung ihrer intendierten Aufgabe gerecht werden kann und die mit der Pflegebedürftigkeit verbundenen Risiken gedeckt werden, fordern wir eine grundlegende und sozialverträglich finanzierte Reform, die die Pflegeversicherung so weiterentwickelt, dass sie eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet und ihre selbsttragenden Kosten begrenzt werden. Zur finanziellen Entlastung pflegebedürftiger Menschen muss der sogenannte „Sockel-Spitze-Tausch“ realisieret werden. Die hierdurch zu erwartenden Mehrkosten für die Pflegeversicherung sollten durch eine paritätisch getragene Finanzierungsgrundlage, zweckgebundene Bundeszuschüsse, eine Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags und durch die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege im stationären Kontext aus dem SGB V gedeckt werden. 

Resilientes Gesundheitssystem: Die Pflege als Eckpfeiler einer resilienten Gesellschaft gestalten 

Um die Pflege krisenfester zu gestalten, soll die neue Bundesregierung die Notwendigkeit von nationalen Richtlinien und Konzepten für die Pflege in Krisenfällen aufzeigen und dabei die Expertise der Freien Wohlfahrtspflege der Hilfsgesellschaften berücksichtigen. Es bedarf neuer Konzepte wie das „Disaster Nursing“, die die besondere Rolle der Pflegekräfte in Krisen aufzeigen, neue Kompetenzen definieren und beruflich Pflegende mit einem klaren Handlungsauftrag versehen. Zudem bedarf es Ideen zur Stärkung der Pflegekompetenz in der Bevölkerung sowie einer strategisch angelegten AG zum Thema „Krisenfestigkeit“ auf Bundesebene, die die Akteure der Bundesregierung (BMI, BMG, BBK) mit den Pflegeverbänden sowie Hilfsgesellschaften zusammenbringt. 

Digitalisierung der Pflege 

Die Chancen, die sich durch die Digitalisierung der Pflege ergeben, sollen umfassend genutzt werden können. Dazu sind Maßnahmen zu fördern, die leistungsfähige technisch-digitalen Strukturen schaffen und die zur Interoperabilität zwischen den verschiedenen Sektoren und Akteuren beitragen.  

Stärkung des Gesundheitssystems: Community Health Nurses  

Die bisher zu wenig beachtete geringe Zugänglichkeit, die eingeschränkte Kontinuität von Prozessen, und die fehlende Koordination innerhalb des Gesundheitssystems müssen ins Blickfeld der Gesundheitspolitik gerückt werden. Sozialräumlich ausgerichtete Angebote des Öffentlichen Gesundheitsdienstes fehlen bislang völlig. International haben sich längst erweiterte pflegerische Rollenbilder etabliert, bspw. Community Health Nurses, die eine niedrigschwellige, wohnortnahe und lebensweltbezogene Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Diese sollte auch im deutschen Gesundheitswesen möglich sein.  

Stärkung der gesundheitlichen Versorgung durch Neuverteilung von Aufgaben: Heilkundegesetz 

Zur Stärkung der Versorgungsstrukturen ist eine innovative Zuordnung der Aufgaben im Gesundheitswesen notwendig: ein „Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe“, das die bisherigen Modellvorhaben der §§ 63 Abs. 3b und 3c, sowie 64d SGB V durch ein Heilkundegesetz auf der Bundesebene ablöst. Hierin sind die heilkundlichen Kompetenzen und Befugnisse für alle approbierten und nicht approbierten Gesundheitsfachberufe verbindlich und rechtssicher zu regeln. 

Mehr Teilhabe und Prävention in der Altenhilfe: Offene Altenarbeit 

Zur Verwirklichung von Teilhabe sowie der Prävention von Pflegebedürftigkeit sind vielfältige Angebote der Seniorenarbeit sowie Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention in der Kommune notwendig. § 71 SGB XII sollte daher von einer „Kann-Bestimmung“ in eine verpflichtende Bestimmung überführt und die Leistungen mit einem kommunalen Basisbudget für Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahre unterlegt werden.