Beschäftigungspolitik im sozialen Sektor

Beschäftigung(spolitik) im Fokus [Live-Blog]

Der Arbeitskräftemangel ist inzwischen im sozialen Sektor angekommen. Schon heute sind die Bereiche Pflege und Erziehung von massiven Personalproblemen betroffen – und auch weitere Arbeitsfelder des sozialen Sektors berichten von zunehmenden Personalengpässen und Herausforderungen bei der Gewinnung neuer Arbeitskräfte. Mit diesem Live-Blog wollen wir in den Blick nehmen, welchen Stellenwert das Thema Arbeitskräftemangel im sozialen Sektor infolge der Bundestagswahl 2021 einnimmt und mit welchen Schritten die neue Regierung sich den Herausforderungen annehmen möchte. Dieser Blog dient als Monitoring über die 20. Legislaturperiode hinweg und wird fortlaufend um aktuelle politische Entwicklungen rund um das Thema Beschäftigungspolitik und Arbeitskräftesituation im sozialen Sektor ergänzt.

+++ 03.02.2022: #ZukunftWohlfahrt - Ein beschäftigungspolitischer Aufbruch für den sozialen Sektor von morgen

#Debatte #ZeitFürVeränderung #Beschäftigungspolitik

Während die neue Regierung die Leitlinien ihre Politik noch absteckt und ihre angekündigten Vorhaben zur Bekämpfung des zunehmenden Arbeitskräftemangels weiter priorisieren und koordinieren muss, bleiben die Problemlagen des sozialen Sektors weiterhin unverändert. Dies zeigt auch der Austausch mit den DRK-Verbandsgliederungen, in dessen Zuge vielfältige Problemmeldungen hinsichtlich der ausreichenden Personaldeckung und der sich zunehmend schwieriger gestaldenden Personalgewinnung abzeichnen.

Im Rahmen des Formats #ZukunftWohlfahrt haben Fach- und Führungskräfte des DRK intensiv über die Beschäftigungssituation im sozialen Sektor beraten und gemeinsam nach Lösungen gesucht. Trotz der Veränderungsbereitschaft und den engagierten Lösungen vor Ort zeigt sich , dass ein langfristige und nachhaltige Lösung ohne ein politisch koordiniertes und ganzheitlich ausgestaltetes Vorgehen nicht zu erreichen ist. Die Maßnahmen der Ampel-Regierung sind einer erster Schritt in die richtige Richtung - sie müssen jedoch zeitnah auf den Weg gebracht werden. Und es müssen ihnen weitere folgen. Eine ausführliche Dokumentation des Fachtags #ZukunftWohlfahrt finden Sie hier.


+++ 26.10.021: Habemus Koalitionsvertrag: Die Vorhaben der neuen Ampel-Regierung +++

#NeueLegislatur #KoaV #MehrFortschrittWagen

Was lange währt, soll endlich gut werden: Die designierte Ampel-Regierung hat ihren ausgehandelten Koalitionsvertrag mit dem Titel "Mehr Fortschritt wagen" vorgelegt (abrufbar hier). Auf insgesamt 178 Seiten beschreiben die zukünftigen Regierungsparteien ihre ambitionierten politischen Vorhaben für die kommenden vier Jahre und schwören Fachwelt und Öffentlichkeit auf allerlei Aufbruch und Veränderung ein. Mit Blick auf den gesamtwirtschaftlichen, aber auch im sozialen Sektor stark zunehmenden Fach- und Arbeitskräftemangel ergeben sich viele Fragen, die ausdifferenzierte Antworten benötigen. Der Koalitionsvertrag greift wesentliche Problemanalysen auf, die angekündigten Schritte gehen jedoch (noch) nicht weit genug.

Im Detail möchte die designierte Regierung folgende Maßnahmen angehen:

Allgemeines

  • Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen: Durch eine zielgerichtete und ineinandergreifende Abstimmung von Arbeitsmarkt-, Gleichtstellungs- und Familienpolitik sollen Anreize und Wege geschaffen werden, Frauen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen und grundsätzlich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.
  • Ermöglichung der Arbeit bis zum Renteneintrittsalter: Älteren Beschäftigten soll eine Erwerbsbiographie bis mindestes zum regulären Renteneintrittsalter ermöglicht werden.
  • Schub für berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung oder Neuorientierung: Durch den Ausbau und die Weiterentwicklung von Aus- und Weiterbildungsangeboten sollen Beschäftigte zunehmend Möglichkeiten bekommen, sich auch im Verlauf ihres Erwerbslebens beruflich weiterbilden und bei Bedarf beruflich neu orientieren und weiterentwickeln zu können.
  • Arbeitskräfteeinwanderung: Durch ein überarbeitetes Einwanderungsrecht und die Verstetigung bewährter Ansätze soll Fachkräftezuwanderung gesteuert werden. Zusätzlich soll mit einem Punktesystem eine weitere Möglichkeit etabliert werden, um Arbeitskräften zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Auch soll die Blue-Card auf nicht-akademische Berufe ausgeweitet werden. Flankiert werden sollen Bemühungen der ausländischen Fachkräftegewinnung durch eine bessere Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse und die Beschleunigung zugehöriger Verfahren.
  • Arbeitsbedingungen: Arbeitsfelder, in denen ein Fachkräftemangel vorherrscht oder droht, sollen durch die Verbesserung von Arbeitsbedingungen aufgewertet werden.

Ausbildung

  • Berufsbildende Schulen: Um berufliche Ausbildung zukunftsfähig zu machen, sollen berufsbildende Schulen durch eine Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen sowie weiteren Akteuren gestärkt und modernisiert werden.
  • Berufsorientierung: Um frühzeitig berufliche Perspektiven aufzuzeigen, soll die Berufsorientierung gemeinsam mit den Ländern weiterentwickelt und zu diesem Zweck u.a. die Jugendberufsagenturen flächendeckend ausgebaut werden.
  • Ausbildungsgarantie: Um Jugendarbeitslosigkeit zu senken und ihr Entstehen zu verhindern, soll mit der Ausbildungsgarantie allen Jugendlichen ein Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht werden.
  • Ausbildung bei Arbeitslosigkeit: Menschen in Arbeitslosigkeit sowie im Grundsicherungsbezug soll eine vollumfängliche Berufsqualifizierung ermöglicht werden und diese – unabhängig ihrer Dauer – gefördert werden.
  • Schulgeldfreiheit und Vergütung: Um die Attraktivität beruflicher Ausbildungen zu stärken, sollen vollzeitschulische Ausbildungen grundsätzlich von Kosten befreit und vergütet ausgestaltet werden.
  • Exzellenzinitiative Berufliche Bildung: Zur Weiterentwicklung und Stärkung der beruflichen Bildung soll eine Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht werden.

Weiterbildung

  • Berufliche Neuorientierung: Mit besser aufeinander abgestimmten Instrumenten der Bildungs- und aktiven Arbeitsmarktpolitik sollen neue Anreize und Möglichkeiten für die berufliche Aus- und Weiterbildung und auch der beruflichen Neuorientierung im Zuge des Erwerbslebens ermöglicht werden.
  • Aufstiegs-BAföG: Durch die Weiterentwicklung und den Ausbau des Aufstiegs-BAföG sollen neue Möglichkeiten geschaffen werden, um eine berufliche Weiterentwicklung zu ermöglichen und Anreize zum lebensbegleitenden Lernen zu setzen. Insbesondere durch die Förderung einer zweiten vollqualifizierenden Ausbildung sowie durch eine bessere Verzahnung mit dem klassischen BAföG soll Weiterbildung attraktiver gestaltet werden.
  • Lebenschancen-BAföG: Jedem Menschen soll mit diesem neuen Förderinstrument die Möglichkeit eingeräumt werden, auch abseits abschluss-/berufsqualifizierender Abschlüsse für eine selbstbestimmte Weiterbildung Zeit ansparen zu können.
  • Bildungs(teil)zeit: Beschäftigen soll – bei Vorliegen einer Einigung mit dem Arbeitgeber – eine finanzielle Unterstützung zur Verfügung gestellt werden, um sich hinsichtlich der Erfordernisse des Arbeitsmarktes weiterzubilden und etwa notwendige Qualifikationen nachzuholen.
  • Qualifizierung und Beratung: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll im Zuge der Qualifizierung gestärkt werden und eine stärker beratende Funktion wahrnehmen. Durch eine bessere regionale Vernetzung mit relevanten Akteuren und die Schaffung neuer Anlaufstellen sollen Interessierte sowie Unternehmen einfacher bestehende Angebote der Qualifizierung in Anspruch nehmen und neue Qualifizierungsmöglichkeiten kennenlernen. Auch die Weiterentwicklung bestehender Online-Portale soll die Suche nach geeigneten (Weiter-)Bildungsangeboten unterstützen.

Arbeitsmarktpolitik

  • Mindestlohn: Der gesetzliche Mindestlohn wird in einer einmaligen Erhöhung auf 12 Euro pro Stunde angehoben. Im Anschluss an diese Erhöhung wird die zuständige Mindestlohnkommission die jährliche Evaluation und Empfehlungen zu dessen Weiterentwicklung (wieder) übernehmen.
  • Mini- und Midi-Jobs: Strukturelle Hürden, die von der Umsetzung und Inanspruchnahme von Mini- und Midi-Jobs abhalten, sollen abgebaut werden. Die Midi-Job-Grenze soll auf eine Grenze von 1.600 Euro angehoben werden. Die Minijob-Grenze wird auf eine 10-Stunden-Woche zu Mindestlohnbedingungen festgelegt.
  • Tarifautonomie: Im gemeinsamen Dialog mit den Sozialpartnern sollen Wege eruiert werden, um die Tarifautonomie in Deutschland weiterzuentwickeln und die Tarifbindung zu stärken. Ziel ist es auch, die Lohnangleichung zwischen Ost und West zu fördern.
  • Bürgergeld statt ALG II: "Hartz IV“ wird zu einem Bürgergeld umgewandelt, stärker auf gesellschaftliche Teilhabe und langfristige berufliche Wiedereingliederung ausgerichtet werden, um gezieltere Anreize für die Qualifizierung zu setzen.
  • Qualifizierung statt Vermittlungsvorrang bei Arbeitslosigkeit: Für Menschen in Arbeitslosigkeit und Grundsicherung erfolgt ein Paradigmenwechsel, durch die eine berufsqualifizierende Ausbildung der reinen Arbeitsvermittlung vorgezogen wird. Die langfristige Beschäftigungsfähigkeit soll dadurch sichergestellt werden.
  • Teilhabechancengesetz (§ 16i und § 16e SGB II): Mit der Entfristung dieser bewährten Instrumente soll der soziale Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose fest verankert und gezielte Beschäftigungsanreize ermöglicht werden.
  • Zuverdienstmöglichkeiten: Bürgergeldbeziehenden sollen durch erhöhte Zuverdienstmöglichkeiten Anreize zur Beschäftigungsaufnahme gegeben werden.

Pflege

  • Pflegebonus: Durch einen Pflegebonus, für den zunächst ein Budget von einer Milliarde Euro bereitgestellt wird, sollen die Leistungen des Pflegepersonals im Gesundheitswesen anerkannt werden. Um eine spürbare Wirkung des Pflegebonus zu ermöglichen, wird die Steuerfreiheit für den Pflegebonus auf 3.000 Euro angehoben.
  • Prüfung der sozialen Pflegeversicherung: Es wird geprüft, die soziale Pflegeversicherung um eine freiwillig, paritätische Vollversicherung zu ergänzen, die die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert. Zu diesem Zweck soll eine Expertenkommission bis zum Jahr 2023 konkrete Vorschläge erarbeiten.
  • Personalbemessung: Zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus wird die Pflegepersonalregelung 2.0 als Übergangsinstrument eingeführt. In der stationären Langzeitpflege soll der Ausbau der Personalbemessungsverfahren beschleunigt werden.
  • Gehaltslücke: Insbesondere in der Altenpflege soll das Gehaltsniveau so angehoben werden, um die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen.
  • Attraktivitätssteigerung: Der Pflegeberuf soll u.a. durch eine Steuerbefreiung von Zuschlägen, die Abschaffung geteilter Dienste sowie einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten attraktiver gestaltet werden.
  • Ausbildung und Qualifizierung: Durch u.a. bundeseinheitliche Berufsgesetze für die Pflegeassistenz soll die Harmonisierung von Ausbildungen gefördert und mit einer kooperativen Finanzierung von Bund und Ländern unterlegt werden. Zudem soll die akademische Pflegeausbildung weiter gestärkt werden. Bestehende Regelungslücken sollen geschlossen werden, um allen Pflegefachkräften in Ausbildung und Studium eine Vergütung zuzusichern.
  • Berufsbild und Kompetenzen: Die professionelle Pflege soll durch heilkundliche Tätigkeiten erweitert werden. Zudem soll das neue Berufsbild der „Community Health Nurse“ geschaffen werden. Ein gesondertes Heilberufegesetz soll auf den Weg gebracht werden.
  • Fachkräftegewinnung aus dem Ausland: Die Gewinnung von ausländischen Fachkräften soll ausgebaut und die zugehörigen Verfahren zur Anerkennung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen beschleunigt werden.
  • Aus- und Weiterbildung: Die Vermittlung digitaler Kompetenzen in der Ausbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie in Fort- und Weiterbildung soll umgesetzt werden. Auch soll die Pflegeausbildung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe ermöglicht werden, sofern diese die hierfür notwendigen Voraussetzungen erfüllen.

Erziehung

  • Kita-Ausbau: Für den weiteren Ausbau von Kita-Plätzen soll ein Investitionsprogramm aufgelegt werden.
  • Kindertagespflege: Die Kindertagespflege soll als Teil der Kindertagesbetreuung weiterentwickelt und ausgebaut werden.
  • Ganztagesbetreuung: Gemeinsam mit Ländern und Kommunen soll die Umsetzung des Anspruchs auf Ganztagsbildung und -betreuung koordiniert und die qualitative Weiterentwicklung sichergestellt werden. Hierfür soll unter Berücksichtigung der länderspezifischen Charakteristika ein gemeinsamer Qualitätsrahmen entwickelt werden. Zudem soll der Abruf der für den Ausbau bereitgestellten Finanzmittel vereinfacht werden.
  • Allgemein- und berufsbildende Schulen: Durch gezielte Investitionen im Rahmen des Programms „Startchancen“ sollen mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen gestärkt werden, die mehrheitlich von sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern besucht werden. Ein Fokus soll insbesondere auf dem Ausbau der Sozialarbeit, Schulentwicklung und Berufsorientierung gelegt werden. Darüber hinaus sollen weitere bis zu 4.000 Schulen in besonders benachteiligten Regionen mit zusätzlichen Stellen für Schulsozialarbeit ausgestattet werden.
  • Ausbildungsförderung: Durch eine Reform soll das BAföG neu ausgerichtet und elternunabhängiger ausgestaltet werden. Neben einer Erhöhung der Bedarfssätze soll auch der Darlehensanteil abgesenkt und die Beantragung vereinfacht und digitaler gestaltet werden.
  • Erwachsenenbildung: Durch ein Förderprogramm für digitale Infrastruktur sollen Volkshochschulen und gemeinnützige Bildungseinrichtungen modernisiert und den wachsenden Weiterbildungsbedarfen Rechnung getragen werden.
  • Anerkennung von Kompetenzen: Informelle, non-formale oder im Ausland erworbene Kompetenzen sollen vereinfacht anerkannt werden können.
  • Weiterbildungsstrategie: Die bisherige Strategie soll bei ihrer Fortführung stärker auf die allgemeine Weiterbildung ausgerichtet werden.
  • Fachkräfte: In Zusammenarbeit mit den Ländern und weiteren Akteuren soll eine Gesamtstrategie für den Fachkräftebedarf in Erziehungsberufen erarbeitet werden. Ein bundeseinheitlicher Rahmen für die Ausbildung soll angestrebt werden und diese generell schulgeldfrei und vergütet ausgestaltet werden. Praxisintegrierte Ausbildungen sollen ausgebaut und Quereinstiege sowie Umschulungen erleichtert werden. Die Fachkräftegewinnung und -bindung soll durch die Schaffung hochwertiger Standards und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen unterstützt werden.

Aufenthalts- und Bleiberecht

  • Visavergabe: Die Visavergabe soll beschleunigt und digitalisiert werden.
  • Arbeitsmigration: Arbeitsmigration soll ermöglicht werden, indem Aufenthaltsgenehmigungen nicht bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten erlöschen.
  • Einwanderungsrecht: Um eine aufeinander abgestimmte Einwanderungspolitik zu erreichen, soll ein widerspruchsfreies Einwanderungsrecht erarbeitet und umgesetzt werden.

Integration

  • Integrationskurse: Menschen, die nach Deutschland kommen, sollen von Beginn an Integrationskurse offenstehen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.
  • Bildung: Kinder und Jugendliche sollen durch schulnahe Angebote frühzeitig nach ihrer Ankunft in Deutschland den notwendigen Zugang zur Bildung erhalten.

Die geplanten und über alle Themenfelder betreffenden Maßnahmen der neuen Regierung verdeutlichen, dass die Vielschichtigkeit des Problems des zunehmenden Fachkräftemangels in der politischen Debatte angekommen ist. Es zeigt sich jedoch auch, dass der Fachkräftemangel eher als punktuelles Problem und noch nicht als sektorenübergreifende Herausforderung verstanden wird. Mit Blick auf den sozialen Sektor zeigt sich dies deutlich an der zwar richtigen, aber alleine nicht ausreichenden Schwerpunktsetzung auf die Arbeitsfelder Erziehung und Pflege. Während die Problemanalyse durchaus richtig ist, geht sie in der strukturellen Betrachtung nicht auf die Wechselwirkungen ein. Wenngleich auch die Betonung der Gewinnung neuer Fachkräfte richtig ist, so wird die Frage der Fachkräftebindung – insbesondere im sozialen Sektor – vernachlässigt.

Wichtig wird nun sein, die geplanten Maßnahmen mit den richtigen Schritten zu unterlegen und die vollmundigen Ankündigungen in die Tat umzusetzen. Es bleibt zu hoffen, dass auf diesem Weg die Komplexität des Problems Fachkräftemangel stärker in den Blick genommen wird und vor einer ganzheitlich ausgerichteten Strategie nicht zurückgeschreckt wird. Diese muss auch die Frage der langfristigen Finanzierung beantworten und Lösungen zur Verhinderung eines zukünftigen Fachkräftemangels anbieten.


+++ 20.10.2021: Ampel-Sondierungen: Die Eckpunkte des Sondierungspapiers +++

#Sondierungsergebnis #Eckpunkte #Koalitionsgespräche

Die Bundestagswahl ist vorbei, das Ergebnis bekannt. Im Zuge der Regierungsbildung haben die Pateispitzen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die Chancen einer gemeinsamen Ampelkoalition sondiert und ihren Parteibasen nach deren Abschluss die Aufnahme von offiziellen Koalitionsverhandlungen empfohlen. Das vorliegende Sondierungspapier skizziert die Eckpunkte eine Politik für die nächsten vier Jahre – und lässt mit Blick auf die Bewältigung des Arbeitskräftemangels sowie die konkrete Ausgestaltung und Verknüpfung gezielter Maßnahmen noch einige Fragen offen.

Konkret festgehalten wurden bisher:

Arbeitsmarkt:

  • Stärkung der Tarifautonomie: Die Betriebspartner sollen gesetzlich dazu befähigt und angeregt werden, bessere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten geschaffen werden, um eine tarifvertraglich geschützte Flexibilisierung von Arbeitszeiten umzusetzen, etwa auch eine Aufweichung von Tageshöchstarbeitszeiten.
  • Erhöhung des Mindestlohns: Der gesetzliche Mindestlohn soll in einer einmaligen Anhebung auf 12 Euro pro Stunde erhöht werden. Anschließend wird erneut die Mindestlohnkommission die Entwicklung der Höhe des Mindestlohns begleiten und Empfehlungen zu dessen Anpasung treffen.
  • Anpassung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen: Die Verdienstgrenze von Midi-Jobs soll auf 1.600 Euro erhöhrt werden. Auch die Mini-Job-Grenze soll angepasst werden und mit Blick auf den neuen Mindestlohn von 12 Euro auf 520 Euro pro Monat angeoben werden. Dies entspricht einer dann geltenden Wochenarbeitszeit von zehn Stunden.
  • Weiterbildung und Qualifizierung: Vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Digitalisierung und dem damit verbundenen lebenslangen Lernen sollen Weiterbildung und Qualifizierung gestärkt und neue Angebote geschaffen sowie bestehende ausgebaut werden.

Beschäftigung:

  • Offensive für mehr Pflegepersonal: Durch neue Anwerbeprogramme sollen gezielt ausländische Pflegekräfte für den deutschen ARbeitsmarkt gewonnen werden. Im Zuge einer strukturellen Verbesserung der Beschäftigungssituation soll zusätzlich die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege vorangetrieben werden und die Einführung angemessener Löhne umgesetzt werden.
  • Optimierung des Personaleinsatzes: Im Zuge der Klärung klarer Zuständigkeiten und einem Abbaue der administrativen Tätigkeiten wird eine Entbürokratisierung des Pflegeberufs angestrebt. Der Personaleinsatz soll durch die Einführung bundeseinheitlicher Vorgaben zur Personalbemessung effizienter gestaltet werden. Unterstützt werden soll dieses Ziel durch die Nutzung digitaler Angebote.

Aus- und Weiterbildung:

  • Förderung der Ausbildung: Jugendliche und junge Menschen sollen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten und auf dem Weg in den Beruf unterstützt und begleitet werden. Zu diesem Zweck sollen Jugendberufsagenturen flächendeckend ausgebaut werden. Zusätzlich soll die berufliche Ausbildung gestärkt und dieses Vorhaben mit einer Exzellenzinitiative Berufliche Bildung unterlegt werden.
  • Verbesserung der Weiterbildung: Im Zuge des lebenslangen Lernen sollen alle Menschen Gelegenheit und Zeit zur Weiterbildung erhalten. Dies soll durch aufeinander abgestimmte Angebote ermöglicht werden, nsbesondere die Einführung eines sog. Lebenschancen-BaföG sollund Stärkung der lebenslangen Aus- und Weiterbildung (u.a. Lebenschancen-BAföG). Zusätzlich soll das bestehende BaföG-System reformiert und mit Blick auf die familiäre Einkommenssituation elternunabhängig ausgestaltet werden.

Noch dienen viele Eckpunkte erwartungsgemäß als Platzhalter für die zu findenden Kompromisse der Koalitionsverhandlungen. Die bevorstehenden Koalitionsgespräche werden diese mit Leben füllen müssen.


+++ 11.10.2021: Arbeitskräftemangel im sozialen Sektor: Die Politik ist jetzt gefragt! +++

#Nach der Wahl #DRK-Forderungen #Koalitionsvertrag

Als DRK-Wohlfahrt haben wir bereits im Vorfeld der Bundestagswahl klar auf den drängenden Handlungsbedarf hinsichtlich der Beschäftigungsentwicklung im sozialen Sektor hingewiesen. Infolge der Covid-19-Pandemie stehen wir vor zusätzlichen Herausforderungen, die bereits bestehende Problemlagen weiter verschärft und die Beschäftigungssicherung, aber auch die Gewinnung neuer Arbeitskräfte zunehmend erschwert. Die Frage, wie soziale und gesundheitliche Berufe in ihrer Attraktivität gestärkt werden können und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Aufrechterhaltung der sozialen Versorgung geschaffen werden können, sind daher aus unserer Sicht unverzichtbare Themen, denen sich die Politik in der neuen Legislatur annehmen muss.

Aus unserer Sicht bedarf es einer politischen Lösung zur nachhaltigen Bewältigung des Arbeitskräftemangels mit einem ganzheitlichen Ansatz, der in seiner inhaltlichen Vielfalt aufeinander abgestimmt ist und fachlich ineinandergreift. Wir fordern als Auftakt für eine umfassende Debatte die Verankerung folgender Eckpunkte:

  1. Umsetzung einer beschäftigungspolitischen Offensive des Bundes
  2. Entfachen von Begeisterung für soziale und gesundheitliche Berufe bei Nachwuchskräften
  3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen in sozialen und gesundheitlichen Berufen

Wir erwarten mehr als nur vage Bekenntnisse der Politik. Eine neue Bundesregierung hat die Zukunft des sozialen Sektors in der Hand und muss schon heute an die Zeit nach morgen denken.