2 ältere Frauen bekommen von einer jüngeren Frau den Umgang mit dem Tablet erklärt.

Digitale Wege im Sozialen Ehrenamt

Der digitale Wandel verändert unsere Gewohnheiten in der Kommunikation, in der Informationsbeschaffung und in der Organisation. Das hat auch Auswirkungen auf das Ehrenamt. Aber welche neuen Möglichkeiten ergeben sich für das soziale Ehrenamt und welche Herausforderungen stellen sich auf der anderen Seite? Ein kleines Team im Generalsekretariat hat sich im Frühjahr auf den Weg gemacht, um Antworten und Lösungen zu finden.

Obwohl das Interesse an ehrenamtlichem Engagement in den letzten 20 Jahren sogar zugenommen hat, wie der 5. Deutsche Freiwilligensurvey des BMFSFJ zeigt, wird es auf vielen Ebenen schwieriger, Leitungspositionen zu besetzen. Und auch für andere ehrenamtliche Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Verbindlichkeit und zeitlichen Einsatz erfordern, ist es oftmals herausfordernd Interessierte zu finden und zu halten. Viele Freiwillige möchten möglichst flexibel bleiben und engagieren sich deswegen eher für akute Krisen oder Projekte, als langfristig in der Wohlfahrtsarbeit aktiv zu werden. Inzwischen sind viele es gewohnt, Informationen immer und überall verfügbar zu haben. Engagementoptionen sind nicht auf die Organisation vor Ort begrenzt, sondern überall auf der Welt verfügbar. Zudem wird es einfacher passende Angebote zu finden im Hinblick auf Zeit, eigene Kompetenzen und Interessen. Diese Erkenntnisse finden sich unter anderem auch im dritten Engagementbericht des BMFSFJ wieder, der sich konkret mit dem Engagement junger Zielgruppen im Zuge des digitalen Wandels beschäftigt. Dennoch bleibt es für viele Interessierte schwierig, einen Überblick über die Möglichkeiten des Engagements in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit des DRK zu erhalten. Im Gegensatz zum Rettungsdienst und zur Blutspende, die oftmals mit dem Deutschen Roten Kreuz in Verbindung gebracht werden, ist die ehrenamtliche Wohlfahrtsarbeit weniger sichtbar.

„Nach dem Selbstverständnis des Deutschen Roten Kreuzes kommt der ehrenamtlichen Tätigkeit besondere Bedeutung zu; sie ist auf allen Ebenen zu fördern.“ (Satzung des Deutschen Roten Kreuzes e.V. vom 20.03.2009)

Mit dieser Motivation und den oben genannten  Annahmen im Gepäck, hat sich im Frühjahr 2022 ein kleines Team aus dem DRK-Generalsekretariat auf den Weg gemacht. Wir wollten herausfinden an welchen Stellen wir das soziale Ehrenamt unterstützen können, wo besondere Herausforderungen liegen und ob digitale Werkzeuge hierbei nützlich sein können. Wir haben uns also umgesehen, um zu lernen welche strukturellen Lücken es in Bezug auf digitale Werkzeuge für das Ehrenamt gibt. Außerdem wollten wir herausfinden, was andere Organisationen bereits tun, um diese Lücken zu schließen und um auf die Veränderungen im Ehrenamt zu reagieren. Aus der Recherche ergaben sich für uns unter anderem die folgenden Thesen:

Quelle: DRK

Aber finden sich diese Thesen auch in unseren eigenen Strukturen wieder? Und sind das wirklich relevante Themen in Bezug auf den digitalen Wandel und die Veränderungen, die somit auch das Ehrenamt im Deutschen Roten Kreuz betreffen? Um uns diesen Fragestellungen zu nähern haben wir mit Ehrenamtlichen, Landesreferentinnen und -referenten und Ehrenamtskoordinatorinnen gesprochen sowie Workshops durchgeführt. Ziel der Workshops und Gespräche war es, herauszufinden wo die Bedarfe im DRK liegen und welche Herausforderungen sich kreisverbandsübergreifend und auch aufgabenfeldübergreifend im Ehrenamt der Wohlfahrts- und Sozialarbeit ähneln.

Wege zum Ehrenamt

Eine Erkenntnis ist, dass die Zugangswege zum Ehrenamt sich in städtischen und ländlichen Regionen unterscheiden. Während in ländlichen Gegenden der Zugang fast nur über Bekannte und Empfehlungen stattfindet, helfen in Städten auch innovative Projekte, für die neue Ehrenamtliche gewonnen werden, und nach denen die Teilnehmenden dann teilweise bleiben. Auch Angebote auf der Webseite führen hier häufiger zu Anfragen und einige der Kreisverbände nutzen auch bereits verbandsunabhängige Plattformen bei der Akquise neuer Ehrenamtlicher.

Einsatzmöglichkeiten für Zeitspenderinnen und Zeitspender

Eine weitere Erkenntnis aus den Workshops und Gesprächen ist, dass das DRK bisher noch nicht strukturiert auf kurzfristiges Engagement, bzw. auf Engagement von Menschen die zeitlich sehr eingespannt sind, eingeht. Hier hat sich der Begriff Zeitspenderin oder Zeitspender etabliert, für eine Person, die anders als die Helfenden im Katastrophenfall, zwar dauerhaft unterstützen möchte, aber eventuell nur unregelmäßig oder nur sehr wenig Zeit hat. Genau für diese Menschen bietet die Wohlfahrts- und Sozialarbeit spannende Möglichkeiten, da in der Regel keine lange Ausbildung notwendig ist, bis die ersten Einsätze erfolgen können. Außerdem gibt es, je nach Einsatzgebiet auch zeitlich sehr flexible Angebote zum Engagement.

Sichtbare Angebote, konkrete Ansprache

Das Ziel, mit dem wir in die Lösungsentwicklung gehen möchten, ist also klar: Wir möchten herausfinden, wie die unterschiedlichen Angebote im sozialen Ehrenamt besser sichtbar gemacht werden können und wie wir durch zielgerichtete Ansprache auch neue Zielgruppen für ein Ehrenamt in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit begeistern können. Bei all unseren Entwicklungen ist es uns wichtig, sowohl neue Formen des Engagements mitzudenken, als auch etablierte Strukturen zu fördern und die Bedarfe langjähriger Ehrenamtlicher zu berücksichtigen. Im nächsten Schritt werden wir also in einem Workshop mit verschiedenen Stakeholdern aus dem DRK die Herausforderungen von allen Seiten beleuchten und so die relevantesten Faktoren für eine mögliche Unterstützung identifizieren. Mit diesen Faktoren gehen wir dann noch in diesem Jahr in die Prototyp-Entwicklung.

Innovative Ansätze im Verband

Erste Projekte, die digitale und neue Wege gehen, um Ehrenamtliche für das DRK und auch für die Wohlfahrts- und Sozialarbeit zu begeistern gibt es bereits. Zum Beispiel wird im Landesverband Nordrhein eine digitale Karte mit Ehrenamtsangeboten aus der Wohlfahrts- und Sozialarbeit erstellt und im Landesverband Baden-Württemberg wurde ein Helferkompass entwickelt, der Interessierte dabei unterstützen soll, eine für sie passende Engagementmöglichkeit zu finden. Beide Projekte befinden sich noch in der Entwicklung und sind aktuell noch nicht ausgerollt. Trotzdem können wir von diesen innovativen Ansätzen in unserem Verband lernen und darauf aufbauend gemeinsam neue Ideen entwickeln.

Digitales Engagement mitdenken

Eine weitere Lücke, die sich in den Gesprächen mit Ehrenamtskoordinatorinnen und Ehrenamtlichen herauskristallisiert hat, ist die Nutzung eines rein digitalen Engagements. Obwohl viele Menschen Kompetenzen haben, die wir in unseren Gliederungen und Einrichtungen dringend benötigen und die ebenso gut digital eingebracht werden können, gibt es wenig strukturierte Zugangswege für Menschen, die sich digital engagieren möchten. Ein positives Beispiel aus dem Verband ist hier das Missing Maps Projekt bei dem Ehrenamtliche helfen unkartierte Gebiete zu erschließen. Solche Projekte steigern auch die Teilhabemöglichkeit von Zielgruppen im Ehrenamt die zum Beispiel zeitlich sehr eingespannt oder nicht mobil sind.

Wir haben also in unseren Strukturen viele der grundlegend aufgestellten Thesen wiedergefunden und werden die Erkenntnisse nun nutzen, um gute Lösungen zur Unterstützung der Ehrenamtlichen in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit zu schaffen. Viele Leistungen unseres Sozialstaates basieren auf dem Engagement 1000ender Freiwilliger. Sorgen wir also weiterhin dafür, dass sie möglichst gut helfen können. Wenn Sie mehr über das Projekt erfahren möchten oder mitwirken wollen, melden Sie sich gerne unter: innovation-digitalisierung(at)drk(dot)de.