Anke Marzi und Frau Becker beim Prototypen bauen
Anke Marzi vom LV Rheinland-Pfalz beim Prototypen bauen

Design Thinking und agiles Arbeiten im DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz

Auf der Digitalisierungsreise nach Schweden haben wir bereits einen Einblick dazu gewonnen, was innovative Methoden wie Design Thinking dem Deutschen Roten Kreuz für Möglichkeiten eröffnen können. Auch Anke Marzi, Vorstandsvorsitzende des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, war mit Begeisterung in Schweden dabei und erzählt im Interview mit Jennifer Geiser, welchen Nutzen dieser neuen Arbeitsmethoden sie für das DRK sieht.

Liebe Frau Marzi, Sie haben auf der Digitalisierungsreise in Schweden Methoden wie Design Thinking, die wir auch in unseren Kompetenzzentren „Wandel.Wohlfahrt.Digitalisierung“ benutzen, in ihrer Anwendung erlebt. Wie bewerten Sie diesen Ansatz?

Ich finde ganz viele Ansätze der Methode gut, nämlich weg vom »Wir wissen, was gut und richtig ist« hin zu den Kundinnen und Kunden beziehungsweise den betreuten Menschen. Diesen Haltungswechsel hinzubekommen – raus aus dem Alltag, raus aus dem Trott, die Perspektive der Betroffenen einnehmen – und neue Ideen für eine Herausforderung auf den Weg zu bringen, das gefällt mir an Design Thinking gut. Im Übrigen wenden wir im Landesverband Rheinland-Pfalz diese agilen Methoden in ersten kleinen Projektgruppen bereits an.

Wie genau sieht die Umsetzung in Ihrem Landesverband aus?

Wir haben im Landesverband Rheinland-Pfalz das Thema agiles Arbeiten im Projektmanagament seit einem Jahr angestoßen und alle Mitarbeitenden in dem Bereich Soziale Arbeit geschult. Unsere Mitarbeitenden haben Projektthemen festgelegt, die über agiles Arbeiten und Design Thinking nochmal neu aufgegriffen werden.

Ein Beispiel: In einer unserer Jugendhilfeeinrichtungen haben wir festgestellt, dass es eine hohe Fluktuation der Jugendlichen gibt. Zuerst haben die Pädagoginnen und Pädagogen einfach ein Konzept entwickelt, doch dann haben wir unser herkömmliches Vorgehen gestoppt und entschieden, gezielte Interviews mit den Jugendlichen zu führen. Dabei gab es jetzt schon ganz viele Aha-Momente, weil die Jugendlichen was anderes denken, als wir aus unserer Perspektive wahrnehmen. Eine konkrete Frage war: »Was war deine größte Angst, als du bei uns eingezogen bist?« Diese Frage wurde vorher einfach noch nie gestellt und so haben wir Einblicke bekommen, die wir anders nie bekommen hätten. Im nächsten Schritt werden wir die Erkenntnisse zusammentragen und dann schauen, was sich in unseren Strukturen ändern muss, um genau für diese Herausforderungen neue Lösungswege zu erkunden.

Sehen Sie auch kritische Punkte an Design Thinking?

Die größte Hürde hier im Haus ist nicht, unsere Mitarbeitenden für das Thema zu begeistern. Die Akzeptanz der neuen Methoden ist sehr hoch. Wir haben zum Beispiel ein Informations- und Technologiezentrum, das sich in vielen Bereichen umgestellt hat auf agiles Projektmanagement, und die eingangs erwähnten Schulungen wurden auch mit Begeisterung besucht.

Die größte Herausforderung ist stattdessen, das agile Arbeiten zusammenzudenken mit den (bürokratischen) Vorgängen, um die wir nicht herumkommen. Anträge müssen weiterhin gestellt und Verwendungsnachweise geschrieben werden; aber da, wo unsere Mitarbeitenden Potenziale sehen und für Themen brennen, da haben sie die Möglichkeit, mit agilem Projektmanagement und Design Thinking Dinge zu entwickeln und weiter voranzubringen ­– und das mit Spaß und Erfolg.

Prototypen bauen mit Legosteinen auf einem Tisch, darunter diverse Büroarbeiten.

Kommen wir noch einmal zurück auf die Digitalisierungsreise nach Schweden. Was haben Sie von dort mitgenommen, wenn es um neue Ansätze und Methoden geht?

In Schweden hat eine Person eine Idee, ruft alle zusammen und dann wird die Idee einfach ausprobiert. Dort ist es auch in Ordnung, nach einem Jahr festzustellen, dass es ein Misserfolg war oder nicht der richtige Lösungsansatz. Die Fehlerkultur ist eine ganz andere als in Deutschland. Es herrscht eine große Offenheit zum Experimentieren.

Was mich auch beeindruckt hat: In Schweden ging es nicht um riesige Projekte, sondern um kleine Lösungen für den Alltag. Dort wird nicht das gesamte Altenheim quer digitalisiert, sondern es wird geschaut, wie die Technik im Alltag den Bewohnerinnen und Bewohnern helfen kann.

Haben Sie ein besonders eindrückliches Erlebnis gehabt?

Von einer Lösung war ich sehr begeistert: Über Video-Präsentationen wird ein reales Meeresleben geschaffen, eine ganze Atmosphäre inklusive Meeresrauschen, die demenziell erkrankte Menschen berührt und aktiv ins Leben zurückholt. Es war faszinierend zu sehen, dass der Einsatz von Technik die Emotionen der Bewohnerinnen und Bewohner so wecken kann.

Was ist Ihre Vision für den Einsatz dieser Methoden in Ihrem Landesverband?

Wir werden – vorausgesetzt wir finden die finanziellen Mittel dafür – in einem unserer Seniorenzentren ein Innovationslabor implementieren, also einen Raum schaffen, der Begegnungen ermöglicht. Dieser wird mit entsprechender Technik ausgestattet, um das, was wir in Schweden gesehen haben, auch hier umzusetzen, also vor allem niedrigschwellig ins Experimentieren zu kommen.

Weiterhin werden wir einen Teil unseres Tagungsbereichs anders ausstatten, sodass agiles Arbeiten und Design Thinking möglich werden. In den nächsten fünf Jahren wollen wir technisch den Landesverband so digitalisiert haben, dass wir im Alltag überwiegend weg von Papier sind und dass die Kreativität unserer Mitarbeitenden erhöht wird.

Vielen Dank, Frau Marzi, für den Einblick in die Reise nach Schweden und Ihren Landesverband!

Für eine Fachberatung zum Thema innovative Methoden stehen wir Ihnen in den Kompetenzzentren „Wandel.Wohlfahrt.Digitalisierung.“ zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns gerne!